«Ein bisschen Afrika tut der Schweiz verflixt gut»

20-Minuten-Leserin Karin Keil hat den Bürotisch während der Adventszeit gegen einen Stand im Zürcher Weihnachtsdorf getauscht.

Im Dezember erzählen Leserinnen und Leser aus der 20-Minuten-Community von ihrem besonderen Advent. Eine, die sich auf unseren Aufruf gemeldet hat, ist Karin Keil. Sie wird bis zum 24. Dezember täglich in ihrem Häuschen im Weihnachtsdorf am Zürcher Bellevue zu finden sein.

Frau Keil, Sie haben zum ersten Mal für eine längere Zeit einen Stand an einem Weihnachtsmarkt. Was waren die ersten Herausforderungen?
Andere Marktfahrer kommen vorbereitet und wissen sofort, wo alles hinkommt. Ich stand zuerst einmal da und habe für den ganzen Aufbau und die Dekoration des Standes viel mehr Zeit gebraucht. Doch das hat mir nichts ausgemacht. Nun bin ich jeden Tag von 11 Uhr bis 22 Uhr hier, bis Heiligabend. Das ist sehr viel Zeit, aber es macht mir Freude.

Was verkaufen Sie denn?
Fair-Trade-Saucen und -Gewürze aus Kapstadt. Alles wird dort hergestellt – somit können wir die dortige Bevölkerung unterstützen. 2014 konnten wir mit dem Erlös 164 Kinder in Kapstadt eine Schulausbildung ermöglichen.

Passen denn südafrikanische Gewürze an einen Weihnachtsmarkt?
Natürlich! Aber die Schweizer brauchen oft ein Brüggli, damit sie sich auf so etwas einlassen können. Deshalb habe ich zum Beispiel eine Zusammenstellung aus Gewürzen fürs Raclette gemacht. Die Saucen eignen sich auch sehr gut fürs Fondue Chinoise. So klappt das super.

Am Zürcher Bellevue hat es doch bestimmt auch viele Touristen.
Hier ist es kunterbunt! Die Hälfte der Zeit spreche ich tatsächlich Englisch. Die Touristen sind auch tendenziell offener als die Schweizer Kunden. Diese brauchen immer etwas Zeit und sind meist ängstlich bis kritisch. Aber wenn man auf sie zugeht, sind sie doch interessiert.

Was ist die beste Erfahrung, die Sie bisher gemacht haben auf dem Markt?
Gerade vor 15 Minuten ist Peter Maffay hier durchspaziert!

Gefällt Ihnen das Leben als Marktfahrerin? Sie arbeiten ja sonst im Büro.
Ich finde es sehr lässig und bin absolut gerne hier. Es ist mir wirklich egal, wie kalt es ist oder ob es stürmt. Ausserdem ist der Zusammenhalt zwischen den Marktfahrern enorm. Damit hatte ich nicht gerechnet, und ich kenne das von der Business-Welt auch nicht. Wir sind wie eine Familie; helfen und unterstützen einander.

Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, mit diesen Produkten zu arbeiten?
Ich hatte sie selbst immer zu Hause. Meine Küche ist nichts ohne diese Saucen und Gewürze. Eines Tages wollte ich sie wieder kaufen und sie waren nicht mehr erhältlich, weil die damalige Besitzerin aufgehört hatte. Ich habe dann nicht lange überlegt und zu ihr gesagt: Wenn du aufhörst, dann beginne ich! Mir wurde erst später bewusst, dass ich tatsächlich eine Firma übernommen hatte.

Das war 2011. Was denken Sie heute über die Entscheidung?
Es ist eine Herzensgeschichte. Diese Verbundenheit mit Afrika macht mich glücklich, denn ich bin fast täglich mit den Menschen dort in Kontakt.

Es ist Advent, Sie haben einen Wunsch frei. Was wünschen Sie sich?
Dass das Afro-Pfingsten-Festival in Winterthur weiterhin stattfindet. Dieses Festival ist gelebte Integration und viele Marktfahrer leben zu einem guten Teil von den Einnahmen dort. Es ist für mich unverständlich und unverantwortlich, das Afro-Pfingsten nicht mehr durchzuführen. Denn ein bisschen Afrika tut der Schweiz verflixt gut!

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